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Armenische Schule in Istanbul

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Artikel - Türkische Gemeinde Deutschland (TGD)

Armenische Schule in Istanbul

07.01.2010, von susanneguesten

Medien

Fast 70.000 Schulen gibt es in der Türkei, die bekanntlich eine sehr junge Bevölkerung hat. 30 dieser Schulen sind etwas anders als die anderen. Es sind die Schulen der Armenier, Griechen und Juden, also derjenigen ethnischen und religiösen Minderheiten, deren Existenz die Türkei nach eigener Auslegung völkerrechtlich anerkannt hat und denen sie das Recht auf Wahrung ihrer eigenen kulturellen Identität zugesteht. Problemlos läuft das aber nicht,wie ein Besuch in einer Minderheitenschule zeigt.



Das Esayan-Gymnasium ist eine             
armenische Schule (Foto: Susanne Güsten)
Sportunterricht am Esayan-Gymnasium, einer armenischen Schule in der Innenstadt von Istanbul. Im Schulhof schubsen und drängeln sich zwei Dutzend Fünfzehnjährige in adretten Schuluniformen, während ein älterer Schüler mit Fotoapparat sie von einem Fenster aus herumdirigiert.Wir versuchen, den armenischen Buchstaben E zu bilden, für ein Foto.
E für Esayan, den Namen unserer Schule.
Das Bild kommt auf Grußkarten für unsere Familien.

340 Schüler besuchen die Esayan-Schule, eine von 16 armenischen Schulen in Istanbul. Die Aufnahmekriterien sind klar definiert, sagt die Schuldirektorin Satenik Nisan:

Unsere Schüler sind armenischstämmige Kinder und Jugendliche mit türkischer Staatsangehörigkeit. Mindestens ein Elternteil muss Armenier sein. Sonst darf niemand an diese Schulen, nur armenischstämmige türkische Staatsbürger.
340 Schüler besuchen die Esayan-Schule
(Foto: Susanne Güsten)
insgesamt 30 solche Minderheitenschulen gibt es in Istanbul, denn auch die Griechen und die Juden haben in der Türkei einen Anspruch auf eigene Schulen. Einen völkerrechtlichen Anspruch sogar – er erwächst ihnen aus dem Friedensvertrag von Lausanne, den die Siegermächte des Ersten Weltkrieges 1923 mit der jungen Türkei abschlossen – der völkerrechtlichen Geburtsurkunde der Türkischen Republik also. Armenisch-Unterricht am Esayan-Gymnasium. Die 16-jährige Melissa müht sich an der Tafel mit den armenischen Verben ab. Keine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass die armenischen Verben nicht nur durch die verschiedenen Zeiten konjugiert werden, sondern auch durch unterschiedliche Perspektiven und sogar Stimmungen.
 

Kein Wunder also, dass der Lehrer Garbis Herasanciyan öfter korrigierend eingreifen muss. Als türkischer Staatsbürger armenischer Herkunft darf Herasanciyan den armenischen Sprachunterricht erteilen. Anders ist das bei den Fächern Türkisch, Erdkunde und vor allem Sozialkunde, wie Schuldirektorin Nisan erläutert: Die Lehrer für die sogenannten türkischen Kulturfächer werden uns vom Bildungsministerium zugewiesen. Alle anderen Fächer werden von armenischstämmigen Lehrern unterrichtet.




Die Eingangstür zur Esayan-Schule
(Foto: Susanne Güsten)

Eine weitere Besonderheit sieht das türkische Gesetz über die Minderheitenschulen vor, sagt die Direktorin: An unseren Schulen gibt es immer einen türkischen leitenden Vize-Direktor, der leitet die Schule zusammen mit dem Direktor. Also, ich selbst bin Armenierin, aber Vize-Direktor muss immer ein Türke sein – bei uns ist das Frau Ayse hier.  

 

Eine umstrittene Regelung ist das, handelt es sich bei den Armeniern der Türkei ja um alteingesessene Einheimische ihres Landes und um türkische Staatsbürger. Rafi Hermon, selbst Absolvent einer armenischen Schule und heute Vizevorsitzender des türkischen Menschenrechtsvereins, kritisiert die 


Eine türkische Flagge in der armenischen
Schule (Foto: Susanne Güsten)


staatliche Unterscheidung zwischen türkischen und armenischen Staatsbürgern der Türkei als diskriminierend: Die Türkei macht damit unmissverständlich klar, dass sie die türkische Staatsbürgerin armenischer Abstammung, die dort Schuldirektorin ist, nicht als Türkin betrachtet, nicht als echte Türkin. Dass der Staat ethnisch türkische Vize-Direktoren in die Schulen der Armenier, Griechen und Juden schickt, um deren Direktoren zu beaufsichtigen, das zeigt, dass er die Angehörigen der nicht-moslemischen Minderheiten nicht als echte Staatsbürger anerkennt.


 

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